Gastbeitrag: So lernst du, Erwartungen in der Meditation loszulassen

Erwartungen loslassenMit den Erwartungen ist das so eine Sache. Einerseits gehören sie von Natur aus zu uns, andererseits sorgen sie für reichlich Unglück in unserem Leben. Außerdem hindern sie uns daran, tiefen Frieden in der Meditation zu finden. Was also tun? Bernita von Wainando gibt Antworten.

 

Warum Erwartungen unglücklich machen können

Sobald wir unseren ersten Atemzug tun, brauchen wir Luft, Nahrung, Wärme und Liebe. Wenn wir älter werden, kommen neben diesen Grundbedürfnissen viele komplexe Erwartungen dazu. Wir denken, es sei unser Recht, glücklich zu sein. Aber leider ist Glück nicht einklagbar. Und die Welt macht am Ende doch was sie will, statt unseren nie versiegenden Erwartungen nachzukommen.

Es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten und die Welt so zu betrachten, wie sie ist. Es regnet schon wieder in Strömen, der Bus hat Verspätung oder das Nudelwasser kocht über. Der Kollege ist krank und die Arbeit türmt sich, das Kind schreit oder der Partner ist schlecht gelaunt. Was es auch immer ist – Tag für Tag passieren Dinge, auf die wir gut und gerne verzichten könnten. Die Welt wird nie perfekt sein.

Aber was, wenn das gar nicht so schlimm wäre? Nehmen wir einmal an, wir hätten keine Erwartungen. Wir bräuchten keinen Sonnenschein und kein braves Kind, um glücklich zu sein. Was dann? Der Regen und die ewigen Quengeleien würden an uns abperlen wie Wasser auf der Lotusblume. Die Welt wäre genauso wie vorher, aber der Widerstand wäre fort, den die Erwartungen heraufbeschworen hatten. Was immer auch passiert – wir wären frei davon. Und damit wahrem Glück ein ganzes Stück näher.

Das heißt übrigens nicht, dass man nicht planen soll. Pünktlich am Bahnhof zu sein, macht nach wie vor Sinn. Sich totzuärgern, wenn der Zug davonfährt, allerdings nicht.

 

Erwartungen als Hindernis in der Meditation

Da Erwartungen Teil unseres mentalen Programms sind, tauchen sie natürlich auch während der Meditation auf. Wir wollen entspannen, friedvoll werden oder tiefe Erfahrungen machen. Und je mehr wir es wollen, desto eher werden wir scheitern. Das liegt an der Natur der Erwartungen: Tiefe Entspannung entsteht gerade dann, wenn wir nichts wollen. Da liegt es natürlich nahe, sich zu wünschen, nichts zu wollen. Aber da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Wir können ein Problem nicht auf der Ebene lösen, auf der es entstanden ist. So ähnlich hat das Albert Einstein formuliert. Dieses Prinzip gilt natürlich auch für die Meditation. Das heißt: Wer Erwartungen hegt, sollte sich nicht mit ihnen anlegen, sondern sich auf eine andere Ebene begeben. Dazu gibt es viele Möglichkeiten.

Erwartungen loslassen lernen

Manchmal hilft es, die Erwartung von größerer Distanz aus zu betrachten. Rechts und links an ihr vorbei zu spüren und sie gedanklich vom anderen Ende des Zimmers aus anzuschauen. Manchmal ist es aber auch besser, mit der Aufmerksamkeit bewusst in ihr Zentrum zu gehen und sie so groß werden zu lassen, wie sie möchte. Sie stört nicht. Sie darf da sein. Schließlich ist sie ein Teil des Menschen, also auch ein Teil von uns, und wird sich von selbst bald wieder verabschieden.

Es kann aber auch helfen, die Erwartung zu hinterfragen. Was will sie genau? Schokolade, ein neues Sommerkleid, den Weltfrieden? Was steckt hinter diesen Wünschen? Was brauchen wir wirklich? Meistens wollen wir einfach nur, dass es uns gut geht. Aber dafür müssen wir keine Schokolade essen. Mit etwas Erfahrung kann man das wohlige Gefühl, das man in diesem Moment braucht, selbst heraufbeschwören.

Führt all das zu noch mehr Verstrickungen, weil hinter jedem Versuch doch eine subtile Erwartung steckt, hilft vielleicht etwas anderes. Zum Beispiel: Einfach mit der Meditationstechnik weitermachen, die man sich angeeignet hat – ohne über die Erwartungen nachzudenken.

 

Erwartungen im Alltag erkennen

Erwartungen im Alltag zu erkennen, ist viel schwieriger. Hier gibt es oftmals keinen geschützten Rahmen, keine ruhige Minute, um in sich hineinzuhorchen. Wer aber während der Meditation übt, Erwartungen loszulassen, wird auch tagsüber davon profitieren. Denn je weiter man geht, desto weniger braucht man, um glücklich zu sein. Und desto weniger erwartet man von der Welt.

Bei Fortgeschrittenen endet die Meditation nicht, wenn sie aufstehen und Pfannkuchen für ihre Kinder machen. Die Achtsamkeit ist immer da. Dank ihr erkennt man leichter, was gerade los ist. Dabei geht es nicht darum, überhaupt keine Erwartungen mehr zu haben, sondern sich nicht von ihnen beherrschen zu lassen.

Natürlich braucht das Übung. Aber auch Klavier- oder Tennisprofi wird man nicht über Nacht. Eine Technik will erlernt, eine Haltung gepflegt werden.

Wer die Sache erst einmal ausprobieren möchte, kann ein kleines Experiment starten: Beobachte einen Tag lang deine Erwartungen und erfahre, wie es ist, sie loszulassen. Ärgere dich nicht, wenn es nicht gleich klappt. Es geht nicht darum, der Beste zu sein. Sondern auf den Wellen zu reiten, die uns das Leben Tag für Tag schenkt.


Über Bernita Müller:

Erwartungen loslassen - Bernita MüllerBernita Müller ließ sich in Yoga, Meditation und einigen Therapierichtungen ausbilden und gründete zusammen mit Michaela Müller „Wainando“. Gemeinsam organisieren sie Meditationsworkshops und Reisen rund um Yoga, Natur und Kulturerfahrungen. Mehr Informationen: www.wainando.de

 

Ein Gedanke zu „Gastbeitrag: So lernst du, Erwartungen in der Meditation loszulassen

  1. Steffen Becher

    Toller Artikel!

    Manche Menschen denken tatsächlich, dass es so einfach ist, einfach mal so loszulassen, haha.
    Aber Achtsamkeit ist denke ich schon, dass es ein wichtiger Faktor ist und es ist cool, dass immer mehr Menschen zur Meditation für sich selbst finden.

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